Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte Sie im Namen des Vereins Kultur und Zukunft e.V. herzlich willkommen heißen. Wir sind hier zur Demonstration erschienen um an den rechtsmotivierten Übergriff im Frühjahr des vergangenen Jahres zu erinnern. Damals sind wir zusammen gekommen, um uns mit Toni, dem Veranstalter des Ska- und Punkrock-Konzertes in Delitzsch, und seinen Freunden zu solidarisieren, die feige von Neonazis angegriffen wurden. Das Opfer der damaligen Tat, der aus Tschechien stammende Petr, wird für immer sehbehindert und traumatisiert bleiben. Im vergangenen Jahr stiegen die Straftaten rechter Gewalt in Deutschland wieder tendenziell an. Auch in Delitzsch nahmen die brutalen Übergriffe auf anders Aussehende nicht ab.
Als langjähriger Gast dieser Stadt habe ich vor Ort meine eigenen Erfahrungen sammeln können. Dabei wurde mir vor allem eines deutlich: Seit Ende der Neunziger bis heute hat sich an der Politik und dem Verhalten der Stadt Delitzsch gegenüber Opfern faschistischer Übergriffe nicht geändert! Engagement gegen Faschismus wird nach wie vor generell oder durch nicht unerhebliche Auflagen verhindert bzw. erschwert.
Seit dem vergangenen Jahr hat sich aber auch etwas Positives in Delitzsch getan. Beherzte Bürger der Stadt und viele Förderer haben den „Kultur und Zukunft e.V.“ gegründet, um den Delitzscher Bürgern eine Kultur abseits von Mainstream und Politik zu bieten.
Aber anstatt die wenigen Verbliebenen, die sich gegen den rechten Mainstream wehren, zu fördern und sie zu schützen, werden sie im Namen der Ruhe und Ordnung aufgefordert ihre Aktivitäten einzustellen, anscheinend um dem rechten Mob den öffentlichen Raum zu überlassen, damit nur ja keine Unruhe aufkomme. Die Streetparade mit dem multikulturellen Festival unter dem Motto „No Dancing with Nazis“ im vergangenen Jahr, und das „Ground-Zero Crossgolf Turnier“ waren die wenigen mutigen Versuche, diesen Sumpf zu durchbrechen. Indem wir öffentlich Musik machten, Spaß hatten, und tanzten – skankten, um genau zu sein.
Aber eben nicht mit Nazis!!!
Schon die Anmeldung einer Veranstaltung jedweder Art reicht aus, um öffentliche Einrichtungen bzw. öffentliche Träger dazu zu bringen schon wieder – genau wie in den 1990-ern – offen darüber nachzudenken, selbst sportliche Aktivitäten des Kultur und Zukunft Verein e. V. zu verhindern. Ich selbst war Zeuge wie der Vertreter des örtlichen „Rotes Kreuz“ erst die Platzmiete für ein vom KuZ e. V. organisiertes Crossgolf-Turnier kassierte, und am Turniertag ca. 2 Stunden vor Beginn der Veranstaltung den Mietvertrag aufkündigte (und die Mietsumme zurück gab).
Mit der Streetparade unter dem Motto „No Dancing with Nazis“ wollen wir öffentlich zeigen, das wir mit allen offenen und toleranten Menschen feiern wollen, die Spaß an vielfältiger Musik haben, Interesse an Kultur und Sport haben. Aber nicht mit Rassisten, Faschisten und Nationalsozialisten. Wer sich für die Herrenrasse hält, halte sich an die deutsche Marsch- oder Volksmusik und an den deutschen Realismus.
Vielleicht kennen einige den Unterschied zwischen Patriotismus und Faschismus nicht. Patriotismus ist Liebe fürs Land, Faschismus ist Hass auf andere Nationen und Rassen. Toleranz ist also keine Frage von rechter oder linker Gesinnung! Toleranz ist Bürgerpflicht! So auch unser Grundgesetz in seinem Artikel 2, in dem es darum geht, dass jeder Mensch sein Leben frei gestalten kann, gleichzeitig aber anderen ihre Freiheit lassen muss.
Nun werden Kulturvereine und Sportvereine wieder als die potenzielle Ursache für Gewalt dargestellt. Das ist eine absolut gefährliche Verdrehung von Anlass und Ursache! Wer so argumentiert, macht sich zum Unterstützer der national befreiten Zonen! Wenn Ruhe und Ordnung und die „Sicherung des sozialen Friedens“ höher stehen als die Freiheit selbstbestimmte Veranstaltungen ohne Nazis durchzuführen, überlässt man dem Nazipack kampflos das Feld!
Im letzten Jahr habe ich noch prophezeit: »Dann gibt es vielleicht bald ein Schild am YOZ, das uns einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt: „Ska tanzen verboten“!« Ein Schild hängt zwar noch nicht am YOZ, aber in diesem Jahr verweigert sich das YOZ die Veranstaltung in seinen Räumlichkeiten stattfinden zu lassen. Doch nach wie vor gilt: Wir lassen uns das „skanken“ nicht verbieten.
Liebe DelitzscherInnen, liebe Anwesenden, kämpft weiter für eine freie Jugendkultur und lasst Euch von dem braunen Sumpf und feigen OrdnungspolitikerInnen nicht zwangsverbannen. Setzt Euer Recht auf selbstbestimmte, antifaschistische Kultur- und Sportveranstaltungen durch.
Der KuZ e. V. und mit uns viele andere Künstlerinnen und Künstler, Sportler und Sportlerinnen, stehen bereit, um euch dabei zu unterstützen. Im Anschluss an die Streetparade werden neben weniger bekannten Bands wie den Stage Bottles, Mjuix, Acid Inside, oder den UiUiUis, um nur einige zu nennen, auch der breiten Masse bekannte Persönlichkeiten wie Sebastian Krumbiegel (Frontmann der Pop-Band „Die Prinzen“) Gesicht zeigen gegen rechte, faschistoide Tendenzen.
Wir als Verein Kultur und Zukunft e.V. fordern die gemeinnützigen und öffentlichen Träger sowie die Stadt Delitzsch auf: endlich etwas gegen diese Verhältnisse zu tun. Die Opfer rechter Gewalt nicht zu verurteilen sondern zu schützen, und nicht Kulturschaffenden wie Musiker, Bands , Djs, Veranstalter, Sportler und all jene die sich für eine offene und antirassistische Gesellschaft einsetzen, als potentielle Gewalttäter/Innen zu diffamieren. Hören Sie auf die Opfer rechter Gewalt, und Engagement gegen rechte Gewalt zu verhöhnen. Schaffen Sie offene Räume, Kulturstätten, Konzerträume, Sportmöglichkeiten für Jugendliche, die nichts mit Rassismus und Faschismus zu tun haben wollen anstatt die Ideologie der national befreiten Zonen durch ihre Feigheit zu unterstützen.
Wagen sie, sich den Problemen in ihrer Stadt zu stellen, die Augen für die soziale Realität zu öffnen und beginnen sie mit den Opfern dieser Realität zu reden! Dann brauchen sie in Zukunft auch trotz Nazis und NSU-Kontakte in ihrer Stadt keine Angst mehr vor schlechter Presse zu haben, die Ihnen ja so tief in den Knochen zu stecken scheint!
Kopf einziehen hilft nicht! Schaffen Sie von Nationalisten befreite Zonen! Oder helfen Sie wenigstens denen, die dazu in ihrer Stadt – noch! – bereit sind!
Eine Stadt funktioniert ähnlich wie ein gutes Restaurant. Ein Ort zieht umso mehr Menschen an, je verlockender die Speisekarte, also das Erscheinungsbild des Ortes, ist. Die Angebote heißen aber nicht nur gute Infrastruktur, zukunftsorientierte Arbeitsplätze, niveauvolle Bildungseinrichtungen, sondern auch ein abwechslungsreiches kulturelles Angebot, ein buntes Vereinsleben und vieles mehr. All diese Angebote sollen Appetit anregen. In diesem Sinne, liebe Demonstranten und Demonstrantinnen, lassen Sie uns gemeinsam die Party starten.
Lasst euch nicht provozieren! Denkt immer daran, Toleranz muss man erst erlernen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.