Nordsachsen ist Schwerpunktregion rechtsmotivierter Gewalt

Im Landkreis wurden elf rassistische Angriffe registriert / Hohe Dunkelziffer

Kreisgebiet. Der Landkreis Nordsachsen ist „Schwerpunktregion rechtsmotivierter und rassistischer Übergriffe“ – zu diesem Ergebnis kommen die Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Sachsen in ihrer Statistik für 2012. Elf Übergriffe gab es im vergangenen Jahr. Aber die Statistik erfasst nicht alles, sie zeigt nur die Spitze des Eisbergs.

Von Christine Jacob
155 gewalttätige Angriffe gab es laut RAA in ganz Sachsen, mehr als 620 Fälle in ganz Ostdeutschland. „Damit ereignet sich statistisch gesehen jeden dritten Tag ein rassistisch oder rechtsmotivierter Angriff“, rechnet Katja Braß, RAA-Sozialarbeiterin in Leipzig, vor. Im Landkreis Nordsachsen fanden elf registrierte Angriffe statt, 13 waren es im Jahr zuvor. „In Delitzsch wurden der Opferberatungsstelle drei Angriffe und in Eilenburg ein Angriff gemeldet“, berichtet Katja Braß. Darunter auch der Angriff auf Konzertbesucher im März 2012 in Delitzsch, bei dem eine ganze Gruppe Musiker und Konzertgäste angegriffen wurde – in die Statistik geht dies aber als nur ein Vorfall ein, betont Braß.
Die Dokumentation aber erfasst das Problem rechtsradikaler Übergriffe nicht einmal in Gänze, die Opferberatungsstellen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. „Wir sind darauf angewiesen, dass uns Vorfälle gemeldet werden, zum Beispiel von Betroffenen selbst, Kooperationspartnern, durch Meldungen der Polizei oder der lokalen Presse“, berichtet die Sozialarbeiterin. Gerade innerhalb der Betroffenengruppe nicht-rechter oder alternativer Jugendlicher bestehe aber eine zunehmende Frustration über ihre Situation: „Sie sehen es nur selten als Weg zur Verbesserung ihrer Lage, eine Anzeige zu erstatten oder sich an entsprechende Beratungsstellen zu wenden.“ Bei einigen Betroffenengruppen setze ein sogenannter „Gewöhnungseffekt“ ein, warnt die Opferberaterin – Angriffe werden dann zu „Normalität“ oder als „Lappalien“ betrachtet.
Das hat Einfluss auf die Statistik: Der Rückgang von 13 Übergriffen 2011 auf elf im vergangenen Jahr ist also nicht einmal ein Etappensieg. Länderübergreifend bestehen laut RAA-Bericht starke Neonazi-Strukturen. Gerade in Nordsachsen seien zahlreiche Aktivitäten der organisierten Neonaziszene zu verzeichnen. Und die haben wiederum ihre Wege, ihren Einfluss auf Statistiken und Fallermittlungen zu nehmen: „In unserer Arbeit schildern uns Betroffene immer wieder, dass sie von den Tätern angezeigt wurden. Es entsteht der Eindruck, dass Neonazis dieses Vorgehen als Taktik anwenden. Betroffene haben somit neben der Verarbeitung der Tat zusätzlich ihre Verteidigung als Beschuldigte zu übernehmen“, berichtet Braß. Besonders schwere Auswirkungen könne dieses Vorgehen auf Migranten mit ungesichertem Aufenthaltsstatus haben.

Weitere Infos zu diesem Thema gibt es im Internet unter www.raa-sachsen.de. Unter www.chronikle.org/nordsachsen werden ebenfalls rassistische Ereignisse aufgelistet.

Quelle: Leipziger Volkszeitung, Ausgabe Delitzsch Eilenburg, Mittwoch, 17. April 2013, Seite 29

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