Von Solidarität, Organisation und Abgrenzung – Die Schwierigkeiten antifaschistischer Provinz-Arbeit

Redebeitrag des Netzwerkes 360 Grad am 15.09.2012 in Delitzsch:

Von Solidarität, Organisation und Abgrenzung – Die Schwierigkeiten antifaschistischer Provinz-Arbeit

Wir, das Netzwerk 360 Grad, ein Zusammenschluss verschiedener zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Gruppen und Einzelpersonen aus dem Leipziger Umland, sind immer wieder mit den Schwierigkeiten und Hürden linker und antifaschistischer Politik konfrontiert.

Wir wollen im Folgenden anhand der Prinzipien Solidarität, Organisation und Abgrenzung die Notwendigkeit und Bedeutung linker Provinz-Arbeit thematisieren.

Erstens: Solidarität! Solidarität ist eine Notwendigkeit, um gegen neonazistische und menschenverachtende Ideologien vorzugehen. In Gegenden, in welchen Nazis hegemonial agieren können, ist Solidarität ein erster Schritt, um deren Dominanz zu brechen. Solidarität heißt in diesem Kontext, nicht wegsehen, wenn Menschen von Nazis beleidigt, bedroht oder angegriffen werden. Solidarität heißt einzugreifen und/oder Hilfe holen. Es ist wichtig, sich mit Betroffenen von neonazistischen Übergriffen solidarisch zu zeigen, nicht ihnen die Schuld für den Angriff zu geben, sondern konsequent Nazi-Gewalt und die sie begünstigenden Ideologien zu verurteilen und dies auch von Seiten der Stadt einzufordern. Es bedarf klarer Positionierungen.

Nun löst jedoch bloße Solidarität keine Nazi-Hegemonie auf, dennoch wird sie dadurch geschwächt, da sich Personen aufeinander verlassen können. Aber um Neonazis und ihre Strukturen weiter zu schwächen, ist ein zweiter Schritt notwendig: Organisation!

Personen, die bereit sind aktiv gegen Neonazis und menschenverachtendes Gedankengut vorzugehen, müssen sich finden und austauschen. Dabei kann und sollte jede Person ihr individuelles Wissen und ihre individuellen Fähigkeiten einsetzen. So kann spezifisches Know-How genutzt werden. Gemeinsame Aktionen – seien es nun Demonstrationen, Konzerte, Bildungsveranstaltungen, Vorträge oder Sonstige – sind unglaublich wichtig, um eine Alternative zum sonst eher tristen Alltag in der Provinz zu bilden. Prinzipiell sollten sich dabei möglichst viele interessierte Menschen zusammentun, um gemeinsame Aktionen auf die Beine zu stellen. Dennoch sollte nicht mit allen Personen zusammengearbeitet werden. Deshalb ist ein dritter Schritt notwendig: Abgrenzung!

Bei allen Aktionen sollten nicht die eigenen Positionen und die eigenen Ziele ins Hintertreffen geraten. Es ist enorm wichtig, auf die inhaltliche Ausrichtung der eigenen Aktionen zu achten. Demzufolge sollte sich klar von all denjenigen distanziert werden, welche menschenverachtende Einstellungen hegen und propagieren, sei es in Form von (alltags-)rassistischen Stammtischparolen, antisemitischen Verschwörungstheorien, sexistischen Witzen, sozialdarwinistischen Leistungsprinzipien oder weiteren diskriminierenden Äußerungen. Menschen, die sich als links definieren, sind keinesfalls frei von solchen Einstellungen. Diese müssen thematisiert und reflektiert werden. Oft ist auch eine Abgrenzung gegenüber der Stadt, aber auch gegenüber der Zivilgesellschaft vonnöten. So sind sie es zumeist, die linkes Engagement diskreditieren und versuchen, es zu verunmöglichen, gar zu kriminalisieren. Dadurch, dass Betroffenen die Schuld an Übergriffen gegeben, ihnen ein vermeintlich „falsches Verhalten“ zugeschrieben wird, welches erst die Situation des Übergriffs ermöglicht haben soll, sie damit gar zu Täter_innen gemacht werden, erübrigen sich Diskussionen um Nazi-Dominanz in der Stadt. Zustände werden umgekehrt, verharmlost, geleugnet und somit letztlich begünstigt und befördert. Nur durch klare Abgrenzungen gegenüber jenen städtischen wie zivilgesellschaftlichen Akteur_innen, die Zustände nicht wahrhaben wollen, besteht die Möglichkeit, neonazistisches Agieren und Denken abzuschwächen.

Auch Vereinnahmungen ist entgegenzutreten. Linkes Denken und Handeln ist keines, das sich für eine Stadt, eine Region oder Deutschland einsetzt, es richtet sich klar gegen jede Form von Patriotismus und Nationalismus, vorallem den deutschen. Linke, emanzipatorische Politik ist eine, die sich gegen Staat, Nation und Kapital richtet, die mit als Ursachen für menschenfeindliche Einstellungen ausgemacht werden können.

Schon etliche Gruppen und Zusammenhänge haben die genannten Erfahrungen gemacht, haben Lernprozesse durchlaufen. Auch sie können als Ansprechpartner_in fungieren, als mögliche Kooperationspartner_innen. Daher: Vernetzt euch!

Zusammenfassend lässt sich ausführen: Solidarität gegen Neonazis und menschenverachtende Einstellungen ist unausweichlich! Organisation mit möglichst vielen Menschen mit ähnlichem Empfinden ist die logische Konsequenz! Abgrenzung gegenüber inhaltlich fragwürdigen Personen ist vonnöten!

Für Anmerkungen, Kritik und Diskussionen stehen wir gerne zur Verfügung. Auch besteht die Möglichkeit, sich vertiefend über Möglichkeiten der Vernetzung im Leipziger Umland zu unterhalten. Viel Spaß bei der Demonstration. Für ein einprägendes antifaschistisches Zeichen. Venceremos!

Quelle: http://www.netzwerk-naunhof.org/2012/09/redebeitrag-netzwerk-360-grad-in-delitzsch/

Dieser Beitrag wurde unter Eigenes abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.