Zu den Nazi-Bedrohungen beim zweiten „No Dancing With Nazis“ am 23. November 2013 in Delitzsch

Aus Sicht des Vereins Kultur und Zukunft e. V. und der beteiligten Initiative ist die Neuauflage des „No Dancing With Nazis“ ein voller Erfolg gewesen. Zwar wurde die BesucherInnenzahl bei dem Konzert in 2012 nicht annähernd erreicht, aber das hat externe Ursachen: diverse Demonstrationen gegen „besorgte Bürgerinitiativen“ (das meint: in fremdenfeindliche Vorbehalte verrannte AnwohnerInnen) und zum Gedenken an den in Berlin von Nazis ermordeten Punk Silvio Meier. Zusätzlich gab es brisante Fußballspiele, die um Leipzig herum leider oft politisch aufgeladen sind. Vor allem aber ist die alltägliche Bedrohung durch Nazis in Delitzsch gleichbleibend präsent, auch wenn das nicht täglich in Schlagzeilen gipfelt.

JN Nordsachsen ist kindischZuerst wurden uns „Grüße“ hinterlassen: die Unterführung am Unteren Bahnhof wurde großflächig mit „Kein Tanz ohne uns! Delitzsch bleibt national!“ sowie „Anti-Antifa“ bemalt. Wir sehen uns gar nicht als „die Antifa“, aber der Titel unserer Veranstaltung macht hinreichend deutlich, wer damit gemeint war. Zudem musste die Streetparade etwas später beginnen, weil die wenigen Teilnehmerinnen aus Leipzig im Zug nach Delitzsch festgehalten wurden. Wegen brennender Autoreifen auf den Bahngleisen bei Rackwitz kam der Zug verspätet an. Diesen Brandanschlag wollten wir uns nicht zurechnen, aber es blieb in dieser Hinsicht leider spannend.

Immerhin war unsere Streetparade ein durchschlagender Erfolg! Mit ca. 180 TeilnehmerInnen hatten wir ungefähr dieselbe Anzahl wie 2012 – und das ohne die rege Beteiligung aus Leipzig im vergangenen Jahr. Das zeigt, dass sich deutlich mehr Menschen in Nordsachsen für unser Anliegen stark machen und dafür auch persönlich einstehen wollen. Weil die ortsansässigen Neonazis zu einer Demo in Berlin gereist waren, blieb uns die bedrohliche Szenerie des letzten Jahres erspart. Nur zwei Jungfaschos, die irgendwann vom Ordnungsamt vertrieben wurden – Danke! –, begleiteten interessiert unsere Demonstration. Am Rande sei erwähnt, dass bei öffentlichen Meinungsäußerungen das Filmen und Fotografieren immer bedrohlich wirkt, wenn es durch Menschen geschieht, die diese offensichtlich ablehnen.

Die Polizei, der wir anders als im Vorjahr auch bei der Streetparade gute Kooperation bescheinigen können, blieb anschließend direkt um das Gelände des RAW präsent. Unsere Security war gut aufgestellt, so mussten wir nicht mit direkten Übergriffen rechnen. So dachten wir zumindest…

Bevor wir in echte Schwierigkeiten gerieten, wurden uns gegen 18 Uhr ein Dutzend Gerichte von einem Fast-Food-Service geliefert, die wir nicht bestellt hatten, aber namentlich auf den Veranstalter bestellt waren. Das war fast witzig, weil das einer der ältesten Hüte seit der Erfindung des Telefons ist, um andere zu stressen. Immerhin waren wir nun gewarnt, dass es nicht bei den kindischen Malereien bleiben würde.

Fast folgerichtig und doch gänzlich unerwartet wurden wir gegen halb acht von der Polizei informiert, dass der mittlerweile gefasste Täter vom Mittag einen weiteren Brandanschlag auf das Gebäude angekündigt hatte. Angesichts dieser lebensgefährlichen Bedrohung war unser erster Impuls, die Veranstaltung sofort zu evakuieren. In Rücksprache mit den Ordnungsbehörden haben wir die Gefährdungslage neu eingeschätzt. Nachdem

  • die Sprüche am Bahnhof mit Kreide gemalt waren – in dem Sinne, keinesfalls bei einer Ordnungswidrigkeit am sauberen Loberstrande erwischt zu werden –,
  • die erwähnten Demobegleiter sich eher lächerlich machten und
  • der Pizza-Scherz als solcher zu verkraften war,

entschieden wir im Sinne unserer BesucherInnen, keine Panik im Saal ausbrechen zu lassen, und diesen weiteren Versuch, unsere Veranstaltung mit geringem Risiko empfindlich zu stören, als genau das zu werten: als deutliche Bedrohung – der wir an diesem Tag aber nicht real ausgesetzt waren.

Allerdings sind wir ziemlich aufgebracht aus der mit all den Infoständen, Workshops, Redebeiträgen usw. hervorragend verlaufenen Veranstaltung herausgegangen. Wir müssen heute der Tatsache ins Auge sehen, dass es in den nächsten Wochen wiederum direkte Angriffe auf Beteiligte geben wird. Genau so wie unzählige Reisende über die offensichtlich neofaschistischen Kreidesprüche im Wortsinne hinweggegangen sind und nicht einmal Die Bahn selbst sich hier bemüht hat, werden die Meisten wegsehen. Um genau das zu verändern, veranstalten wir aber „No Dancing With Nazis“; das muss ein Ziel in unserer Stadt werden.

Wir fordern alle Delitzscherinnen und Delitzscher auf, das Wegsehen zu beenden und sich der latenten Bedrohung durch Neonazis in unserer Stadt entgegenzustellen!

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