Wer braucht denn so was?! – laues Unbenklichkeitszeugnis vom Verfassungsschutz Sachsen

Das wird die Ordnungsbehörden in Delitzsch freuen: Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz bestätigt uns, nicht „extremistisch“ (dazu weiter unten) zu sein. Laut der Behörde

»kam es anlässlich eines mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Übergriffs auf Besucher eines Ska-Konzertes am 17./18. März 2012 in Delitzsch zu zwei Demonstrationen in der Stadt. Am 25. März, nur wenige Tage nach dem Übergriff, beteiligten sich etwa 200 Personen an der Demonstration zum Thema „Naziterror entgegentreten – Demonstration in Reaktion auf den Naziüberfall am 17./18.3.2012“. […] Am Rande des Aufzugs kam es zu Provokationen und verbalen Auseinandersetzungen, da sich Rechtsextremisten in Sichtweite aufhielten. Mit einer weiteren Demonstration am 15. September wurde der Übergriff erneut thematisiert. Unter dem Motto „No Dancing with Nazis“ beteiligten sich etwa 170 Personen an der Veranstaltung der gleichnamigen nicht extremistischen Initiative[1] [2]

Wir sind mit diesem „Gütesiegel“ unzufrieden, auch weil der VS es sich nicht verkneifen kann, den Teilnehmer(inne)n unserer Demonstration Provokation und zumindest verbale Gewalttätigkeit zu unterstellen. Hatten sie nicht gesehen, dass unsere friedliche Demonstration von – zum Glück nur – 20 bis 30 Neonazis massivst bedroht wurde und die Gewalt von diesen ausging?! Unter ihnen waren auch Mitglieder des als äußerst gefährlichen geltenden Freien Netzes [3]. Wir waren durchaus erfreut darüber, dass die Polizei damals in hoher Anzahl angerückt war und tatsächliche Gewalt gegen uns unterbinden konnte.

Darüber hinaus wird zu beiden Demonstrationen auf die Anwesenheit »der maßgeblich von Autonomen beeinflussten Leipziger Kampagne „Fence Off – Weg mit dem Nazizentrum in Leipzig“« [1] verwiesen. Also doch, wir sind es zwar nicht selbst, aber wir bieten der pöhsen, pöhsen Antifa eine Zuflucht. Besten Dank für diese sophistische Vermengung von „nicht-extremistisch“ und „extremistisch“! Wir bescheinigen dem Beitrag des VS größtmögliche Irrelevanz.

Zu guter Letzt ist das Etikett „extremistisch“ an sich problematisch. Mit dieser Definition, die es mit einem Fingerschnipp schafft, antifaschistische Haltungen und Handlungen mit ihrem Gegenteil gleichzusetzen, wird der Protest gegen die verschiedenen Spielarten des Neonazismus systematisch kriminalisiert und Debatten um die alltäglichen Erscheinungsformen von Diskriminierung behindert. Die Bevölkerung in einer gedachten „Mitte“ wird jeder Kritik enthoben, denn „extremistisch“ sind ja immer die Anderen – oder wie es Christoph Butterwegge treffend formuliert:

»Die Bundesregierung begibt sich mit ihrer Referenz an die These der „Extremisten von links und rechts“ schnurstracks zurück in die ideologischen Schützengräben des Kalten Krieges.« [4]


VSB 2012 Vorabfassung Stand 03.06.2013[1] Quelle: Sächsisches Staatsministerium des Innern und Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen: Verfassungsschutzbericht 2012 – Vorabfassung -, S. 163, Download: Verfassungsschutzberichte beim Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (eigene Hervorhebungen und Verlinkungen)
[2] Die Demonstration am 25. März 2012 hatte nicht das vom VS vorgeschlagene Thema sondern hieß, wie wir finden treffender: „Naziterror entgegentreten – immer und überall“.
[3] DER SPIEGEL hat das Freie Netz Sachsen mit seinen Verstrickungen zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und in die NPD in einem ausführlichen Artikel thematisiert: „DER SPIEGEL 24/2012: Florian, wir kriegen dich“.
[4] Christoph Butterwegge „Die Entsorgung des Rechtsextremismus“ in: »Blätter für deutsche und internationale Politik« 1/2010, Seite 12-15

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